Dienstag, 26. Februar 2013

Todesnähe auf der körperlichen Eben, das Neue erscheint im Traum

Bei den Caribou-Eskimos herrscht die Auffassung, dass man nur durch Leiden, die in die Nähe des Todes führen, zum weisen Mann werden kann. Auch hier spielt der Traum eine wichtige Rolle, aber nicht mit dem Motiv Tod und Wiedergeburt.


Dieses wird in der äußeren Wirklichkeit inszeniert, und es geht dabei um einen initiatischen Blick in den Tod. Der Novize kann sein Leiden selber auswählen: Er kann Hunger und Kälte ausgesetzt werden, was das härteste ist, er kann ertrinken oder erschossen werden. Letzteres haben wir bei der Geschichte der Schamanin Kinalik bereits berührt.


Nach Jung, schlagen solche Torturen Löcher in die Persönlichkeit, durch die das kollektive Unbewusstsein von allen Seiten eindringen kann ( C.G.Jung 1991, 367) Es ist ein gewaltsames Öffnen der Ich-Grenze.


Der Schamane Igjugarjuk der Caribou-Eskimos erzählte Rasmussen von einer Initiation: er wählte das Leiden von Hunger und Kälte, und seine Schwiegervater Perqanaoq, der Schamane war, führte ihn auf einem kleinen Schlitten in einer Winternacht bei Neumond in die Einöde hinaus, baute ihm dort eine kleine Schneehütte, gerade groß, dass er darin sitzen konnte, aber ohne weichen Schnee als schützende Isolation.

Er gab ihm kein Schlafffell zum Zudecken, nur eine Unterlage zum Sitzen. Er konnte sich nicht hinlegen. 30 Tag musste er ohne Nahrung in dieser Stellung ausharren. Nach fünf Tage kam der Meister mit etwas lauwarmen Wassers und nach weiteren fünfzehn Tagen abermals.

Igjugarjuk Ausgesetztheit sollte die Aufmerksamkeit der Göttinnen Hila und Pinga auf sich ziehen. Perqanaoq hatte ihn angewiesen, die ganze Zeit über in der Abgeschiedenheit nicht anderes zu denken und zu wollen, als dass er hier säße und Schamane werden wollte und dass Pinga ihn in Besitz nehmen sollte.

  
Später erzählte er :

… und ich der nie etwas hatte, um mich zu wärmen, und mich nicht bewegen durfte, hatte es sehr kalt, und es war so ermüdend, sitzend zu müssen, ohne wagen zu dürfen, mich hinzulegen, so dass es mir manchmal vorkam, als stürbe ich ein wenig.

Gegen Ende des 30. Tages brach er zusammen und schlief erschöpft ein.

Da erschien im Schlaf sein Schutzgeist, eine liebliche und wunderschöne Frau, die über ihm schwebte. Von da an konnte er nie mehr die Augen schließen und träumen , ohne sie zu sehen.

Es ist eine besondere Sache mit meinem Schutzgeist, dass ich sie nie im Wachen sehe, sondern nur in Träumen.

Sie sei ihm von Pinga geschickt worden, erzählte er, als Zeichen das ihm die Göttin Beachtung schenkte und ihm die Kraft geben würde, ein Schamane zu werden (Rasmussen, Vii/2,52f.)


Rasmussen
Hier taucht in der Neugeburt, ein faszinierender weiblicher Schutzgeist auf, und es kommt wieder zu einer erotischen Allianz. Es scheint dann auch nicht verwunderlich, dass Igjugarjuk daraufhin ein ganzes Jahr lang nicht mit deiner Frau schlafen durfte.[…]

Kapitel: 4. Traumtraining