[…] Bei den Guajiro wird das Träumen als Vagabundieren der
Seele verstanden. Krankheit wird als ihr verlängertes Herumirren gesehen und der Tod als ihre
definitive Abreise. Alles was man träumt, geschieht in der Seele wirklich.
Traum, Krankheit und Tod werden also in einer Kontinuität
gedacht. Die meisten schamanischen Kulturen habe ein ähnliches dreifaches
Krankheitsverständnis.
- Mangel: Ein vitales Prinzip ist abhanden gekommen (z.B. die psychische Energie oder das Bewusstsein während einer Ohnmacht), der Schamane muss eine Seelensuchreise unternehmen (Endorzismus);
- Intrusion, etwas Feindliches ist in den Körper eingedrungen, der Schamane saugt es aus (Exorzismus)
- ein Durcheinander, eine innere oder äußere Ordnung ist gestört, z.B. Tabuverletzung.
Dieses dreifaches Krankheitsverständnis scheint in unserem
kollektiven Unbewussten sogar in unserer Sprache noch latent vorhanden sein:
Wir sagen
im 1. Fall: Jemanden fehlt etwas;
im 2. Fall: Jemand hat etwas
im 3. Fall: Jemand ist nicht zuwege, allemanisch: nid zwäg,
d.h. vom Weg abgekommen, nicht in Ordnung.
Im ersten und zweiten Fall wird in den meisten schamanischen
Kulturen von Hexerei ausgegangen. Hexen oder feindlichen Schamanen rauben
Seelen oder töten durch magische Projektile, die in den Körper des Opfers
eindringen.
Das ist nicht etwa nur Aberglaube; Chaumeil berichtet von
einem magischen Zeikampf zwischen verfeindeten Schamanen der Yagua. Ihre
unsichtbaren Pfeile, die im Magen aufbewahrt werden. Der unterlegene Rivale
starb auf der Stelle.
Wenn Schamanen bei erkrankten Menschen solchen Schadenzauber
aussaugen, dann materialisiert sie ihn meist und spucken ihn aus. Nun müssen sie
aber noch den Absender ausfindig machen, sonst wird der Patient nicht gesund.
[…]
Source: Schamanismus und Traum, Susanne Elsensohn, Diederichs Gelbe Reihe
Kapitel: 1. DER TRAUM IM KULTURELLEN UMFELD DES SCHAMANENTUMS || Das Traum- Krankheitsverständnis [S.25]
Source: Schamanismus und Traum, Susanne Elsensohn, Diederichs Gelbe Reihe
Kapitel: 1. DER TRAUM IM KULTURELLEN UMFELD DES SCHAMANENTUMS || Das Traum- Krankheitsverständnis [S.25]